Geschichte |
Die Kunst des Drachenbaus ist wahrscheinlich eine chinesische Erfindung. Eine der ersten gesicherten Beschreibungen stammt aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert und berichtet von einem chinesischen General, der während eines Feldzugs die ersten Drachen habe steigen lassen, um mittels der Leine die Länge eines Tunnels zu messen, durch den er unbemerkt in feindliches Gebiet vorstoßen wollte. In einem anderen Feldzug wird die Entscheidung einer Schlacht dadurch herbeigeführt, daß über dem feindlichen Lager des nachts Drachen mit Schwirrhölzern geflogen werden, deren Brummen die feindlichen Truppen in Angst und Schrecken versetzt.
Nach Japan gelangte der Drachen vermutlich über Korea wohl im 7. Jahrhundert. Erste gesicherte Quellen gibt es aber erst aus dem 9. Jahrhundert. In einer
Familienchronik aus der Heianzeit wird eine Papier-Weihe "kamitobi" erwähnt, womit vermutlich ein Drachen in Vogelform gemeint ist, wie er in China bekannt war. Andere
Quellen bezeichnen derartige Papierdrachen als Ikanobori. Im 12. Jahrhundert ist die Kunst des Drachenflugs bereits so fortgeschritten, daß bemannte Großdrachen möglich werden.
Eine altjapanische Sage berichtet von dem wegen seiner herkulischen Kräfte berühmten Krieger Minamoto no Tametomo, der 1156 auf der Insel Oshima in Verbannung lebte. Er verhalf seinem Sohn mittels eines selbstgebauten riesigen Drachens zur Flucht über das Meer nach Shimoda. Der abenteuerliche Flug ist von Hoku-sai in einer Holzschnittillustration dargestellt worden. Häufig wird auch überliefert, daß Drachen zum Zweck der Aufklärung und in kriegerischen Unternehmungen bemannt eingesetzt wurden. Geradezu ein Meisterstück der Aviatik wird dem Räuberhauptmann Ishikawa Goemon zugeschrieben, der Ende des 17. Jahrhunderts mit einem Drachen auf das Dach des Schlosses von Nagoya gefolgen sein soll, um von den dort befindlichen goldenen Delphinen drei Flossen abzubrechen. Sein räuberisches Heldenstück endete freilich schlimm. Er wurde ergriffen und samt seiner Familie in Öl gekocht.
Von ehemals hunderten professionellen Drachenbauern in Tokyo lebt heute nur noch einer. Aber noch ist das Wissen um die Kunst des japanischen Drachenbaus lebendig. Noch gibt es Drachenbauer in allen Regionen des Landes, die die traditionellen Techniken der Bambusbearbeitung, der Bemalung, die Kunst der Schnüre und des Drachenfluges beherrschen. Und noch gibt es Drachenfeste, die nicht touristischer Neugier sondern dem gemeinsamen Erleben und der sozialen Bindung dienen. An diese Tradition möchte das Kunstdrachen-Projekt anknüpfen und gleichzeitig mit dem Blick auf die Gegenwartskunst den Blick auf die grandiose Kunsttradition des japanischen Drachens lenken. |